BFH Urteil v. 13. September 2023, II R 49/21
Zusammenfassung
Der BFH hat nun in einem Fall entschieden, dass bei Handelsunternehmen, deren Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 EStG dient, die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln für den 90%-Einstiegstest iRd § 13a,b ErbStG abgezogen werden dürfen.
Der sogenannte 90 %-Einstiegstest versagt die Begünstigung nach § 13a,b ErbStG gänzlich, sofern begünstigungsfähiges Vermögen eine zu hohe Quote an Verwaltungsvermögen innehat.
Dabei müssen nach dem Gesetzeswortlaut Schulden (bisher) außer Acht gelassen werden.
Konsequenz für die Beraterpraxis
Das Urteil des BFH ist zu begrüßen. Es eröffnet eine teleologische Reduktion des § 13b (2) Satz 2 ErbStG.
Der 90%-Test wurde im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2016 eingeführt und soll verhindern, dass Unternehmen mit hohen Barbeständen (vor allem Cash-GmbH) begünstigt übertragen werden können.
In der Literatur stand er bereits lange für seine teilweise überschießende Wirkung in der Kritik. Dies aus dem Grund, da er produktive Unternehmen benachteiligt, welche einen hohen Bestand an Forderungen und Barmittel vorhalten müssen, welchen aber in gleichen Umfang Schulden gegenüberstehen, die jedoch keinen Eingang in den Test finden.
Nun hat der BFH zumindest für eine „Kategorie“ von Unternehmen Klarheit geschaffen. Doch auch jetzt sind nicht alle Unsicherheiten beseitigt.
Es wird sich die Frage stellen, was unter einem typischen Handelsunternehmen zu verstehen ist. Dabei werden „Ausführungen zum Hauptzweck einer Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG einen breiten Raum einnehmen“ (ErbStB 2024, 30).
Fall im Detail
Der Fall begann vor dem Finanzgericht Münster, wo ein Schenkungsteuerbescheid erlassen wurde. Dieser Bescheid wurde vom Beklagten, dem zuständigen Finanzamt, angefochten. Das Urteil des Finanzgerichts wurde nun vom BFH aufgehoben. Als Ergebnis wird der Schenkungsteuerbescheid dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer auf 0 € festgesetzt wird.
Konkret ging es dabei darum, dass die Klägerin durch einen notariell beurkundeten Vertrag alle Anteile an einer GmbH, einem pharmazeutischen Handelsunternehmen, schenkweise von ihrem Vater erworben hat. Das Finanzamt hat daraufhin den Wert der Anteile und die Werte der Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens und der Schulden festgestellt und Schenkungsteuer festgesetzt.
Das Finanzamt hat sich bei der Schenkungsteuerberechnung auf den 90 %-Einstiegstest berufen und die Begünstigung nach § 13a ErbStG insgesamt abgelehnt. Die Klägerin hat dagegen Einspruch eingelegt und die Gewährung der Regelverschonung für Betriebsvermögen beantragt. Das Finanzamt hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg. Das Gericht entschied, dass der schenkweise Erwerb der GmbH-Anteile als begünstigtes Vermögen nach § 13a Abs. 1 ErbStG zu 85 % steuerfrei ist und der 90 %-Einstiegstest der Begünstigung nicht entgegensteht. Das Urteil des Finanzgerichts wurde veröffentlicht unter dem Aktenzeichen 3 K 2174/19 Erb.
Das Finanzamt legte dagegen Revision ein und führte aus, dass die Auslegung der Vorschriften durch das Finanzgericht zu einer ungewollten Begünstigung führt und gegen § 13b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 ErbStG verstößt. Das Finanzamt argumentierte, dass die betrieblich veranlassten Schulden nicht von den Finanzmitteln abgezogen werden dürfen.
Der BFH kommt im Rahmen der Revision zu dem Ergebnis, dass der 90 %-Einstiegstest nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG so auszulegen ist, dass bei Handelsunternehmen im Rahmen des 90%-Tests die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln abgezogen werden dürfen. Dies bedeutet, dass keine Betrachtung der Bruttofinanzmittel (vor Abzug der betrieblichen Schulden) erfolgt, sondern der Nettofinanzmittel.