1. Zusammenfassung
Richter des BFH heben FG-Urteil und die Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf:
Wird eine an der grundbesitzenden Personengesellschaft mittelbar beteiligte Personengesellschaft in die Gesellschafterstruktur eingefügt (Verlängerung der Beteiligungskette), ohne dass sich die Gesellschafter geändert haben, ist entgegen der Auffassung des FA (vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl I 2022, 801, Beispiel unter 5.3.2) kein neuer Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG a.F. hinzugekommen (BFH, Urteil v. 21.8.2024 – II R 16/22; veröffentlicht am 23.1.2025).
2. Beraterhinweis
Im vorliegenden Fall wäre zwar in Bezug auf die 40% Anteile an der X KG durch § 6 GrEStG letztlich keine Grunderwerbsteuer erhoben wurden (so auch FG). Entscheidend ist hier jedoch, dass durch die Beurteilung des BFH bereits kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vorliegt, und somit auch in Höhe der 60% (Einzug italienische KapG) bereits dem Grunde nach keine GrESt erhoben wird.
Relevant ist das Urteil dahingehend, dass dadurch bei Beteiligungsstrukturen mit Grundvermögen unter Einbezug von Personengesellschaften eine gewisse Flexibilität besteht.
Der BFH hat nunmehr bestätigt, dass bei Personengesellschaften weiterhin auf die oberste Ebene, an der keine Beteiligung mehr besteht, abzustellen ist (hier: natürliche Person).
Dies entspricht dem bereits in 2013 ergangenen BFH-Urteil (BFH— vom 24.04.2013 – II R 17/10), wodurch als Reaktion des Gesetzgebers § 1 (2a) Satz 2 GrEStG eingefügt wurde.
Nach Auffassung des BFH ändert sich die Beurteilung auch nach Einführung des Satzes 2 also nicht.
3. Fall
(Zusammengefasste) Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:
Grundsatz:
Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von 5 Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar in der Weise, dass mindestens 90 % (a.F. 95%) der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG). Seit dem 1.7.2021 gilt dies nach § 1 Abs. 2b GrEStG auch für Veränderungen im Gesellschafterbestand von Kapitalgesellschaften.
Unterscheidung bei Rechtsform:
In welchem Fall bei mehrstufigen Beteiligungen ein mittelbarer Gesellschafterwechsel anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2a GrEStG und auch in § 1 Abs. 2b GrEStG ausdrücklich geregelt und dabei zwischen (an der grundbesitzenden Gesellschaft) beteiligten Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unterschieden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelungen sind Personengesellschaften dabei als transparent anzusehen, d.h. bei mehrstöckigen Personengesellschaften ist auf allen Ebenen der beteiligten Personengesellschaften auf die dahinterstehenden Gesellschafter durchzuschauen. Bei beteiligten Kapitalgesellschaften ist hingegen auf jeder Ebene zu prüfen, ob die 90 % Grenze erreicht ist.
Neue und bisherige Beurteilung:
Der BFH hat nun klargestellt, dass dies auch dann gilt, wenn die Beteiligungskette durch Einfügen einer neuen, bislang nicht beteiligten Personengesellschaft auf der mittelbaren Ebene verlängert wird, ohne dass sich die dahinterstehenden Gesellschafter ändern. Die Finanzverwaltung hatte dies bislang anders gesehen (vgl. Gleich lautende Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl I 2022, 801, Beispiel unter 5.3.2).
Auszüge aus Urteil:
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Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wurde entgegen der Auffassung des FG nicht verwirklicht. Es sind durch die notariell beurkundete Vereinbarung vom 17.12.2015 nicht mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Klägerin innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen.
Der Übergang von 40 % der Anteile an der mittelbar zu 100 % an der Klägerin beteiligten X KG auf die W KG erfüllt den Tatbestand dieser Norm nicht, da die zuvor an der X KG zu 40 % beteiligten AB und CB nach der Abtretung weiterhin mittelbar zu 40 % über die W KG an der Klägerin beteiligt waren. Die W KG ist nicht als neue Gesellschafterin der grundbesitzenden Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG anzusehen.
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a) Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm sind Personengesellschaften danach als transparent anzusehen.
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Es ist entgegen der Auffassung des FA weiterhin eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend. Die Gesetzesbegründung im Steueränderungsgesetz 2015 zur Ergänzung des § 1 Abs. 2a GrEStG ist nicht dahin zu verstehen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift jegliche wirtschaftliche Betrachtung außer Acht zu lassen ist (s. hierzu BFH-Urteil vom 25.11.2015 – II R 18/14, BFHE 251, 492, BStBl II 2018, 783, Rz 19; vgl. auch Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 1 Rz 323).
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c) Die Maßgeblichkeit wirtschaftlicher Gesichtspunkte schließt es danach aus, bei mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen die Beurteilung auf bestimmte Beteiligungsebenen der Personengesellschaft zu beschränken und die Beteiligungsverhältnisse auf höheren Beteiligungsebenen unberücksichtigt zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 23 zu § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002).
Wird eine an der grundbesitzenden Personengesellschaft mittelbar beteiligte Personengesellschaft in die Gesellschafterstruktur eingefügt, ohne dass sich die Rechtsträger, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können, geändert haben, ist kein neuer Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft hinzugekommen.