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Freibetrag bei der Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung

Im Zuge der Planung der Unternehmens- und Vermögensnachfolge stellt die Familienstiftung ein wichtiges Instrument dar. Gem. § 15 Abs. 2 ErbStG handelt es sich um eine Stiftung, die wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet wird. Sie bietet u. a. die Möglichkeit, (unternehmerisches) Vermögen dauerhaft zu bündeln oder auch die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG zu vermeiden.

Regelmäßig stellt sich im Rahmen der Errichtung einer Familienstiftung die Frage, auf welche berechtigte Person für die Bestimmung der Steuerklasse und des Freibetrages abzustellen ist. In seinem am 28.02.2024 veröffentlichen Urteil (Az. II R 25/21, s. https://tinyurl.com/27d5gm5x) befasst sich der BFH mit dieser Frage. Bestätigt wird dabei die Einschätzung der Vorinstanz (Niedersächsisches FG, Beschluss vom 19.07.2021 – 3 K 5/21, s. https://tinyurl.com/25m6v5kb), dass es sich bei dem „entferntest Berechtigten“ gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG um denjenigen handelt, der nach der Stiftungssatzung potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Unerheblich sei dabei, ob die Person zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren ist, jemals geboren wird und tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird.

 

1. Steuerklassenprivileg einer Familienstiftung

Der Übergang sowie der Übertrag von Vermögen auf eine Stiftung anlässlich ihrer Errichtung unterliegt der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer gem. §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG.

Dabei ist der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Stifter zugrunde zu legen, sofern es sich um eine Familienstiftung handelt, § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Dieses sog. Steuerklassenprivileg ist entscheidend für die anzuwendende Steuerklasse, für den Freibetrag und für den Steuersatz. Andernfalls unterläge der Vermögenübergang auf eine Familienstiftung mangels Verwandtschaft mit dem Stifter stets der Steuerklasse III, d. h. mit einem Freibetrag von EUR 20.000 und einem hohen Steuersatz von 30 % bei Erwerben bis einschließlich 6 Mio. Euro (darüber mit 50 %).

Zu beachten ist, dass das Steuerklassenprivileg nicht für jeden Übergang von Vermögen auf Familienstiftungen, sondern grundsätzlich nur für Vermögensübergänge gilt, die entweder aufgrund lebzeitigen Stiftungsgeschäfts erfolgen (d. h. grundsätzlich anlässlich der Errichtung der Stiftung im Stiftungsgeschäft zugewendet) oder die von einem verstorbenen Stifter auf eine von ihm letztwillig angeordnete Stiftung von Todes wegen erfolgen (z. B. ein Erwerb der Stiftung als Erbin oder Vermächtnisnehmerin). Das Steuerklassenprivileg gilt daher nicht für Vermögenszuwendungen, die erst nach der Errichtung der Stiftung bzw. außerhalb des Stiftungsgeschäfts und unabhängig davon vorgenommen werden.

Das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Stifter ist entscheidend im Hinblick auf die Besteuerung des Vermögensübergangs auf die Stiftung. Die Finanzverwaltung legt ihre Auffassung in R E 15.2 Abs. 1 ErbStR dar: Danach ist auf den nach der Satzung möglichen entferntest Berechtigten abzustellen, auch wenn dieser im Zeitpunkt der Errichtung der Familienstiftung noch nicht unmittelbar bezugsberechtigt ist, sondern es erst in der Generationenfolge wird. Als „entferntest Berechtigter“ sei derjenige anzusehen, der klagbaren nach der Satzung Vermögensvorteile aus der Stiftung erlangen kann.

 

2. Aktuelles Urteil des BFH v. 28.02.2024

a) Sachverhalt

Ein Stifter-Ehepaar, das eine Tochter und noch keine Enkelkinder hatte, errichtete eine Stiftung mit dem Zweck der angemessenen Versorgung der Stifter, der angemessenen finanziellen Unterstützung der Tochter der Stifter sowie der angemessenen finanziellen Unterstützung weiterer Abkömmlinge des Stammes der Stifter, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation.

Das Finanzamt erachtete für die Besteuerung des Vermögensübergangs auf die Stiftung die im Zweck zuletzt genannten „weiteren Abkömmlinge“ als entferntest Berechtigte im Sinne des Steuerklassenprivilegs gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Es gewährte einen Freibetrag von 100.000 Euro, der für Abkömmlinge von Kindern als übrige Personen der Steuerklasse I gewährt wird (§§ 15 Abs. 1 Nr. 3, 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Begünstigt sein könnten später nämlich auch Enkel und Urenkel der Stifter, selbst wenn diese zurzeit noch nicht geboren sind.

Einspruch und Klage, mit denen das Stifter-Ehepaar die Berücksichtigung eines höheren Freibetrags forderten, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hatte jedoch die Revision zugelassen, weil bisher keine höchstrichterliche Entscheidung zur Auslegung des Steuerklassenprivilegs bei Familienstiftungen vorlag.

 

b) Urteil
Auch der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen; er führt aus, dass beim Übergang von Vermögen auf eine Familienstiftung für die Bestimmung der anwendbaren Steuerklasse und des Freibetrags als “entferntest Berechtigter” zum Schenker derjenige anzusehen ist, der nach der Stiftungssatzung potentiell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten kann. Im vorliegenden Fall seien dies die noch nicht geborenen möglichen Urenkel der Stifter. Unerheblich ist, ob die Person zum Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts schon geboren ist, jemals geboren wird und tatsächlich finanzielle Vorteile aus der Stiftung erlangen wird. Unter Verweis auf die vergangene Rechtsprechung sei eine Beschränkung auf bereits lebende Anspruchsberechtigte der Vorschrift nicht zu entnehmen; der Stifter selbst kann – orientiert an den §§ 15, 16 ErbStG – eine für sich und seine Familie schenkungssteuerlich günstige Vorgehensweise wählen.

3. Praxishinweise

  • Im Zuge der Errichtung einer Familienstiftung ist das Steuerklassenprivileg gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG insofern von Bedeutung, als der Übertrag des Vermögens nicht bereits aus anderen Gründen steuerbefreit ist, z. B. gem. den Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen nach §§ 13a ff, 28a ErbStG.
  • Darüber hinaus sollte der „entferntest Berechtigte“ im Verhältnis zum Stifter möglichst in der Steuerklasse I stehen. Dies ist nicht nur bezüglich der Höhe des Freibetrags (mindestens 100.000 Euro bis zu 500.000 Euro), sondern auch im Hinblick auf den Steuersatz von zunächst 7 % (bis zu 30 % ab Erwerben über 26 Mio. Euro) im Vergleich zu 30 % in der Steuerklasse III (50 % bei Erwerben über 6 Mio. Euro) relevant.
  • Abzuwägen ist im Rahmen der Gründung auch, inwiefern die in Zeitabständen von 30 Jahren ab dem ersten Vermögensübergang anfallende Erbersatzsteuer einschlägig ist oder ob sich eventuell eine alternative Gestaltung als steuerlich optimal erweist.
Prof. Dr. Domink Rupp, Steuerberater

Prof. Dr. Dominik Rupp

Steuerberater

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