Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Flankenschutzprüfer

BFH-Urteil vom 12.07.2022 – VIII R 8/19

 

Zunächst zu dem Begriff eines „Flankenschutzprüfers“:

Allgemein bekannt ist, dass die Steuerfahndung eine Funktion im Strafverfahren zur Aufdeckung unbekannter Steuersachverhalte hat. Weniger bekannt ist, dass die Steuerfahndung eine Doppelfunktion hat, also auch im normalen Besteuerungsverfahren eingesetzt werden kann und eingesetzt wird = Flankenschutz!

Damit hat die Steuerfahndung auch Befugnisse im normalen Besteuerungsverfahren, also dort, wo noch keine Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft ergangen ist oder irgendwelche vermeintlichen Kriminellen festgenommen oder befragt werden sollen.

Die Steuerfahndung setzt in den letzten Jahren verstärkt Flankenschutzfahnder ein, die ohne Vorankündigung und ohne Durchsuchungsbeschluss im Besteuerungsverfahren erscheinen, um steuerliche Sachverhalte aufzuklären.

Wie weit gehen die rechtlichen Befugnisse des Steuerfahnders?

 

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die unangekündigte Besichtigung eines Arbeitszimmers in der Wohnung der Klägerin und Revisionsklägerin durch einen Beamten der Steuerfahndung rechtswidrig war.

Die Klägerin war angestellte Geschäftsführerin eines Restaurants und als selbständige Unternehmensberaterin tätig. Für das Streitjahr 2015 machte sie bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 567,12 EUR geltend.

Ihr Steuerberater reichte auf Nachfrage des Finanzamtes eine Skizze der Wohnung ein. Der Skizze war zu entnehmen, dass zur Wohnung ein Zimmer gehörte, das maschinenschriftlich mit „schlafen“ bezeichnet wurde. Diese Bezeichnung war durchgestrichen und handschriftlich durch „Arbeit“ ersetzt worden.

Und schon war das Finanzamt bösgläubig.

Der Steuerfahnder erschien am 11.05.2017 unangekündigt in der Privatwohnung der Klägerin, um zu prüfen, ob das Arbeitszimmer wie angegeben vorhanden war. Zu Recht?

 

Die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Die unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als sogenannte Flankenschutzprüfer zur Überprüfung der Angaben der Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer im Besteuerungsverfahren ist wegen Verstoßes des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtswidrig, wenn der Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt.
  2. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige der Ortsbesichtigung zustimmt und deshalb kein schwerer Grundrechtseingriff nach Art. 13 Abs. 1 GG vorliegt.

Der BFH erkennt, da der Sachverhalt unter Mitwirkung der Steuerpflichtigen umfassend aufgeklärt war, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der unangekündigten Wohnungsbesichtigung. Ein Ermittlungsermessen hat das Finanzamt verhältnismäßig auszuüben. Die in Augenscheinannahme des Finanzamtes in den Wohnräumen der Steuerpflichtigen ist zwar geeignet, den Sachverhalt zu ermitteln, jedoch nicht erforderlich und auch unangemessen im Hinblick auf den Schutz der Wohnung nach § 13 Abs. 1 Grundgesetz.

 

Abschließender Hinweis:

Wenn Sie die Einkommensteuererklärung Ihrer Mandanten bearbeiten und die Sachverhalte für ein häusliches Arbeitszimmer für die steuerliche Beurteilung heranziehen, so weisen Sie die Mandanten darauf hin, dass für den Fall, dass ein Flankenschützer an der Haustür klingelt, diesem der Einlass in die Wohnung verwehrt werden kann, mit dem Hinweis, dass die volle Sachverhaltsaufklärung durch die Steuerpflichtigen bereits erfolgt ist.

Petra Siebert-Pönninghaus

Steuerberaterin

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