Widerruf des Verzichts auf Steuerbefreiung nach Paragraph 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG außerhalb notarieller Urkunde möglich?

BFH-Beschluss vom 02.07.2021, XI R 22/19

Die Klägerin, eine GmbH, erwarb mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag vom 18.05.2009 von der Immobilien GmbH (Veräußerin) ein Grundstück für 320.000 EUR. Die Veräußerin verzichtete in § 3 Abs. 1 des Vertrages auf die Steuerbefreiung für Grundstückslieferungen. Die Klägerin wollte das Objekt sanieren und steuerpflichtig weiterverkaufen. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 2009 gab sie Umsätze i. H. v. 320.000 EUR an, für die sie nach § 13 b Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 UStG die Steuer schulde, und zog die sich daraus ergebende Steuer von 60.800 EUR gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer wieder ab. Eine Zahllast ergab sich nicht.

Im Jahr 2011 veräußerte die Klägerin das unsanierte Grundstück ohne Verzicht auf die Steuerbefreiung für 800.000 EUR.

Mit notariellem Vertrag (Änderung eines Grundstückskaufvertrags) vom 23.04.2012 vereinbarten die Veräußerin und die Klägerin die Rückgängigmachung des im Grundstückskaufvertrag vom 18.05.2009 erklärten Verzichts auf die Steuerbefreiung.

Nach erfolgter Außenprüfung hielt die Prüferin die Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung für nicht wirksam und berichtigte den Vorsteuerabzug i. H. v. 60.800 EUR nach § 15a Abs. 2 UStG.

Auffassung des BFH:
Der nachträgliche Widerruf des erklärten Verzichts auf die Steuerbefreiung ist wirksam! Nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, steuerfrei. Der Unternehmer kann gem. § 9 Abs. 1 UStG unter anderem einen solchen Umsatz als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der leistende Unternehmer kann – wie im Streitfall die Lieferung eines Grundstücks – nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG „nur in dem gem. § 311 b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag“ auf die Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes i. S. v. § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG verzichten. Der Verzicht muss im notariellen Vertrag erfolgen!

Für den Widerruf gilt dies jedoch nicht! Der Widerruf eines Verzichts auf die Steuerbefreiung kann außerhalb dieser notariellen Urkunde erfolgen. § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG regelt nur den Verzicht auf Steuerbefreiung, nicht aber den Widerruf.

Der Widerruf ist möglich, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung noch anfechtbar oder nach § 164 AO änderbar ist.

Petra Siebert-Pönninghaus

Steuerberaterin

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