Freistellung Paragraph 8b KStG bei Hinzuerwerb von Anteilen

BFH-Urteil vom 07.06.2023 Az. I R 50/19

Sachverhalt in Kurzform

Die A GmbH ist seit Jahren zu 9,898 % an der Y-AG beteiligt. Am 16.12.2023 erwarb die A GmbH weitere Aktien an der Y AG in geringem Umfang. Ziel des Hinzuerwerbs war das Erreichen der notwendigen Beteiligungsschwelle von mindestens 10 % zu Beginn des Folgejahres, also zum 01.01.2014.  Der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums war aufschiebend bedingt auf die Zahlung des Kaufpreises. Dieser war am 16.12.2023 fällig wurde aber erst nach dem 01.01.2024 überwiesen.

Keine Steuerfreiheit bei Streubesitzdividenden

Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben Bezüge  bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. In diesem Fall gelten 5 % dieser Bezüge als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 Satz 1 KStG). Dies gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG jedoch nicht, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Stammkapitals betragen hat. Damit sind inkongruente Gewinne oder Stimmrechtsverteilung nicht entscheidend.

Maßgebend ist die steuerrechtliche Zurechnung nach § 39 AO

Für die Höhe der Beteiligung kommt es nicht allein auf das zivilrechtliche Eigentum an; maßgebend ist die steuerrechtliche Zuordnung der Kapitalanteile gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Damit ist das wirtschaftliche Eigentum ausreichend.

Für das wirtschaftliche Eigentum kommt es beim Erwerb von Aktien darauf an, ob der Erwerber eine rechtlich geschützte Position erworben hat, die gegen seinen Willen ihm nicht mehr entzogen werden kann. Ferner müssten die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Verwaltung- und Vermögensrechte einschließlich der Gewinnsbezugs- und Stimmrechte sowie Risiken auf ihn übergegangen seien.

Nach Auffassung des BFH kommt es dabei nicht auf die einzelnen Strukturelemente an. Maßgeblich ist, ob dem Steuerpflichtigen nach der Gesamtheit der tatsächlichen Verhältnisse die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis zusteht. Besonderheiten bestehen beim Erwerb von Wertpapieren, da in diesem Fall die „Rechtsmacht“ des Erwerbers vom Inhaber des Wertpapiers als Verkäufer abgeleitet sein muss und somit der konkrete Ausschluss der wirtschaftlichen Inhaberschaft des Verkäufers erforderlich ist, vgl. BFH vom 02.02.2022 I R 22 /20.

Praktikerhinweis

Nach Auffassung des BFH sind bei der Berechnung der Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG für Streubesitzdividenden die allgemeine steuerrechtliche Zurechnung bzw. das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO maßgeblich ist. Es gibt also einen Gleichklang zwischen Zurechnung der Einkünfte nach § 8b Abs. 1 und Zurechnung der Beteiligung nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG.

Das Gesetz kennt für Fälle der Zurechnung von Anteilen an Kapitalgesellschaften verschiedene Vorschriften, z.B.;

  • 17 EStG
  • 20 Abs. 5 Satz 2 EStG
  • Berechnung der Beteiligungsschwelle von mindestens 15 % für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg in § 8 Nr. und § 9 Nr. 2a, 7 GewStG
  • 6 AStG

Das vorliegende Urteil dürfte auch auf diese Fälle anzuwenden sein.

Dagmar Wedeking

Dipl.-Kauffrau, Steuerberaterin, Gesellschafterin / Geschäftsführerin

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