Keine ermäßigte Besteuerung gem. Paragraph 34 Abs. 1 EStG im Fall der Auszahlung einer Rente im Wege der Kapitalabfindung

Zumindest im Fall der vorherigen Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts kommt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 34 Abs. 1 EStG für die Einmalauszahlung einer Rente nicht in Betracht (FG Münster, Urteil v. 24.10.2023, 1 K 1990/22 E; Revision beim BFH unter Az. X R 25/23 anhängig)

1. Sachverhalt

Die Klägerin schloss mit Ihrem Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge eine Versicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von 14 Jahren ab. Nach Ablauf der 14 Jahre sollte die Klägerin zwischen der Auszahlung einer lebenslänglichen monatlichen Rente und – auf Antrag – einer einmaligen Kapitalabfindung wählen können. Die Klägerin übte das Kapitalwahlrecht aus und erhielt rund 44.500 Euro ausbezahlt. Diesen Betrag besteuerte das Finanzamt als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 5 EStG mit dem regulären Steuersatz. Die Klägerin vertrat dagegen die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt seien und der ermäßigte Steuersatz gem. § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden sei.

2. Urteil

Die Klage wies das FG Münster ab. Im Streitfall lagen keine außerordentlichen Einkünfte vor. Zwar seien die Voraussetzungen einer Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt, da der Begriff alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert umfasse, d. h. auch die Einmalzahlung einer Direktversicherung. Gleichwohl fehlt es am ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der „außerordentlichen“ bzw. „atypischen“ Einkünfte. Entscheidend sei im Hinblick auf die Vergütung, dass im Fall eines Kapitalwahlrechts dies nur in atypischen Fällen tatsächlich ausgeübt werde. Die Feststellungslast für das Vorliegen der Außerordentlichkeit trage die Klägerin, die den Nachweis jedoch nicht erbracht hat. Zudem wurde das Kapitalwahlrecht von vornherein vertraglich vereinbart.

3. Praxishinweis

Das FG Münster hat die Revision zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen. Dem BFH wird die Gelegenheit gegeben, die Kriterien zur Bestimmung der „außerordentlichen“ bzw. „atypischen“ Einkünfte bei Kapitalauszahlungen von Renten zu schärfen, da er im Rahmen seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass statistisches Material über die Häufigkeit der Ausübung von Kapitalwahlrechten verfügbar ist. Im Rahmen einer vergleichbaren Fragestellung ist es dem FG Köln trotz diverser Anfragen bei einschlägigen Organisationen jedoch nicht gelungen, entsprechende Daten zu erhalten (Urteil vom 30.9.2021, 15 K 855/18, EFG 2022, S. 166).

Prof. Dr. Dominik Rupp

Steuerberater

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